Samstag, 10. August 2013

Von Höhen und Tiefen

In Oruro bleiben wir ungewollt einige Tage länger hängen. Abwechselnd liegt entweder Julia oder Stefano mit Brech-/Durchfall flach. Obwohl Roger und Alberto unterdessen in einer Art Wette alles (un)mögliche Essen von der Strasse probieren, sind die beiden putzmunter und so entscheiden wir uns schliesslich getrennte Wege zu gehen. Während Roger und Alberto die 250 km nach La Paz wie gewohnt mit dem Rad zurücklegen, setzen sich Julia und Stefano in einen Bus in Richtung bolivianischer Regierungssitz.

Bis zum Eintreffen der Radler haben sich die Kranken glücklicherweise gut erholt und so können wir wieder zu Viert zu neuen Abenteuern aufbrechen.

Wir entscheiden uns an den Huayna Potosi zu wagen. Die Besteigung dieses 6000-ers wird in Drei-Tages-Touren auch für Bergsteiger-Laien angeboten. Am ersten Tag erreichen wir das Basislager auf 4700 m.ü.M. Das für diesen Tag geplante Training auf einem Eisfeld, müssen wir aufgrund starkem Wind jedoch weglassen. Trotzdem steigen wir am zweiten Tag unter Zuhilfenahme von Steigeisen und Eispikel ohne Probleme ins Höhenlager auf. Hier auf 5300 Metern ist die Luft bereits merklich dünner. Die Aussicht auf die umliegende Bergkette ist atemberaubend schön.

Wir legen uns auf Anraten unseres Bergführers bereits nachmittags schlafen. Um 18:00 Uhr bekommen wir dann unser Nachtessen ans Bett serviert. Die nächsten Stunden verbringen wir unruhig auf unseren dünnen Matratzen. Das Schlafen wir durch (die Höhenluft bedingte) Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden erschwert.

Um 2 Uhr ist dann Tagwache. Stefano leidet unter starken Kopfschmerzen und verzichtet auf den Anstieg. Gespannt schlüpfen wir in unsere Ausrüstung, welche heute noch durch ein „Klettergstältli“ ergänzt wird. In einer dreier Seilschaft mit unserem Bergführer geht es in der Dunkelheit los. Die Route ist steil und langsam setzen wir einen Fuss vor den anderen. Der Wind zischt immer noch kräftig und bläst uns zwischendurch Schnee ins Gesicht. Plötzlich erblicken wir tief unter uns La Paz – ein Lichtermeer. Gleichzeitig wird jeder Schritt anstrengender. Unsere Glieder sind energielos und wir müssen nach Luft ringen. Alberto und sein Bergführer entfernen sich währenddessen immer weiter von uns. Auf ca. 5700 m.ü.M. kapitulieren wir. Wir haben keine Kraft mehr und entscheiden uns für den Abstieg.

Dieser geht etwas leichtfüssiger, doch auch hier brauchen wir noch immer volle Konzentration. Wieder zurück im Höhencamp, geht es mit Stefano zurück ins Basislager. Dies einmal erreicht, sind wir total erledigt.

Obwohl wir natürlich traurig sind, es nicht auf den Gipfel geschafft zu haben, war es ein einmaliges Erlebnis. Dank Albertos Erfolg konnten wir uns trotzdem einige Fotos von der unglaublichen Aussicht auf 6088 m.ü.M. anschauen. Und wir wissen nun, dass auch fast täglicher (Rad)Sport im letzten halben Jahr nicht entscheidet, ob man „fit“ genug ist, einen 6000er zu besteigen.

Die Todesstrasse führt innerhalb von 65 km von 4500 m.ü.M. hinunter auf 1300 m.ü.M. Die Strasse windet sich entlang eines Felsens und fällt auf der anderen Seite steil ab. Die Strasse erlangte den gefürchigen Namen aus der Zeit, als hier der ganze (Schwer-)Verkehr entlang musste (Minimalbreite 1.2 m). Heute gibt es eine asphaltierte Alternativroute und die Strasse dient vor allem noch als Touristenattraktion.

Mit unseren gemieteten gefederten Mountainbikes düsen wir in die Tiefe. Für einmal werden nicht die Beine, sondern die Finger trainiert. Bei jedem Stopp können wir uns einer neuen Kleiderschicht entledigen. Vom kargen Altiplano gelangen wir schlussendlich in den grünen, tropischen Dschungel. Ein wirklich empfehlenswerter Ausflug!

Am Schluss der Abfahrt haben wir noch etwas Zeit uns im Pool abzukühlen. Während wir hier an der Sonne sitzen, wird uns bewusst, wie sehr wir diese Wärme in den letzten Monaten vermisst haben.

Die frische Erinnerung an ein warmes Klima hängt bestimmt noch in unseren Köpfen, als wir einige Tage später unsere Sachen für die Weiterfahrt in Richtung Titicacasee zusammenräumen. Plötzlich entdeckt Julia am Anschlagsbrett des Hostels eine Information über ein Volontär-Projekt im bolivianischen Dschungel. Interessiert, informiert sie sich sofort auf der Homepage. Auch die anderen werden beim Anblick der Homepage neugierig und so kommt es, dass wir zwei Stunden später unsere Pläne über den Haufen werfen und spontan entscheiden den nächsten Monat dort zu arbeiten.

Nun sind wir bereits seit über drei Wochen in Villa Tunari. Unsere Daunenjacken sind seither in den Tiefen unserer Taschen versorgt und wir geniessen ein feucht-warmes Klima. Jeder hat seinen Arbeitsbereich: Julia arbeitet mit einem Puma, der täglich 7 – 8 Stunden im Dschungel verbringt, Roger verbringt seine Tage mit einer Horde Affen (Spidermonkeys).