Mittwoch, 21. Mai 2014

Nomaden-Leben

Wir bereuen es nicht, etwas nördlicher als geplant, in die Ex-Sowjetunion, genauer Kasachstan, einzureisen. Die Infrastruktur ändert sich nach dem Grenzübertritt schlagartig. Ab sofort fahren wir wieder auf ruppigen Strassen, wo wir hie und da grossen Schlaglöcher ausweichen müssen. Die kleinen Dörfer sind von riesigen Weideflächen umgeben und die vielen Kühe, Esel, Pferde und Schafe verstärken den ländlichen Charakter.

Obwohl wir nicht Herr der russischen Sprache sind, kommen wir mit den Einheimischen schnell in Kontakt. Das Interesse an uns ist auch hier gross. Wir sind einmal mehr von der Gastfreundschaft überwältigt. Bei der Ausschau nach einem Zeltplatz, werden wir in Kirchen, Schulen oder private Häuser eingeladen und geniessen, wie für die Kasachen selbstverständlich, Vollpension. So übernachten wir in ganz Kasachstan ohne je einen einzigen Tenge (Kasachische Währung) dafür auszugeben.

In Almaty lassen wir uns erneut für eine Streckenänderung begeistern und beschaffen uns spontan das Tadschkistan-Visum und den benötigten Permit für den Pamir Highway.

Bereits nach 10 Tage verlassen wir Kasachstan wieder, da wir uns nun in Richtung Süden bewegen. Der Grenzübertritt nach Kirgistan ist bis anhin der einfachste in Asien. Ohne Visum bekommen wir eine Aufenthaltsbewilligung für 60 Tage. Die Hauptstadt Bischkek liegt nur 25 km von der Grenze entfernt, welche wir noch am selben Tag erreichen.

Als wir nach einem Ruhetag wieder weiterfahren möchten, bemerken wir nach 5 km einen Felgenriss an Rogers Hinterrad. Etwas geschockt, jedoch zumindest im Wissen, dass es irgendwo im Nirgendwo schlimmer hätte sein können, kehren wir nach Bischkek zurück. Da auch Julias Felge mit bald 40'000 km wohl bald „“durchgebremst“ ist, entscheiden wir uns gleichzeitig auch diese Felge zu ersetzen und bestellen zwei neue Modelle über einen Onlineshop. Bereits 4 Tage später holen wir das Paket bei DHL ab. Mit der Hilfe von Nathan, einem sehr hilfsbereiten und Fahrrad-Reise-begeisterten Kanadier, bauen wir unsere neuen Hinterräder.

Guten Mutes begeben wir uns wieder auf die Strasse, wobei der folgende Streckenabschnitt (fast etwas unerwartet) ein landschaftliches Highlight darstellt. Auf unzähligen Serpentinen winden wir uns auf 3200 m.ü.M und tauchen in eine atemberaubende Berglandschaft ein.

Während wir auf den Pässen frische Tagestemperaturen und eisige Nächte im Zelt (- 5°C) verbringen, ist es weiter unten in den Tälern drückend heiss und wir sehnen uns nach der nächtlichen Abkühlung. Auch weiterhin dürfen wir uns über nette Bekanntschaften und Gastfreundschaft freuen. So richtet uns z. B. eine kirgisische Familie ein Bett im Innenhof her, so dass wir mit dem Blick auf den wolkenlosen Sternenhimmel - und 9 neugierigen Familienmitgliedern und herbeigerufenen Nachbarn - einschlafen.

In den ländlichen Zonen erkennen wir die deutlichen Spuren des Nomadtums. Traditionelle Jurten, viele Pferde und stets immer wieder grosse Schafherden in Begleitung seiner Hirten, hoch zu Ross oder auf Eseln. Andernorts sieht man nur noch kleine Überreste eines verlassenen Wohnortes, wo Mensch und Tier wieder weitergezogen sind. Wir können uns mit dieser Lebensart irgendwie identifizieren, sind doch auch wir nun schon seit bald 17 Monaten „Fahrrad-Nomaden“.

In Osh, der zweitgrössten Stadt Kirgistans, ruhen wir uns nun aus, um uns auf den Pamir Highway vorzubereiten. Wir sind gespannt und haben schon unzählige Geschichten über die Faszination dieser Region gehört. Mehr von diesem Abenteuer erfährt ihr in etwa einem Monat, wenn wir hoffentlich die Hauptstadt Tadschikistans erreicht haben...