Montag, 23. Juni 2014

Auf dem Dach der Welt

Die zwei letzten Pässe in Kirgistan bringen uns auf über 3500 m.ü.M und sind eine gute Vorbereitung auf den angesteuerten Pamir-Highway.

“Bam-i-Duna”, zu Deutsch “Dach der Welt” wird dieser Abschnitt von Einheimischen gennant – und nicht ohne Grund. In Sary Tash, dem letzten Ort vor der tadschikischen Grenze, werfen wir erstmals den Blick auf diese eindrückliche Bergkette (mit einigen 6000 und 7000ern). Die schneebedeckten Riesen erfüllen uns mit Ehrfurcht und als wir uns am nächsten Tag mit langsamen Radumdrehungen den Bergen nähern, stellen wir uns leicht eingeschüchtert die Frage, ob wir dieser Herausforderung wirklich gewachsen sind.

An einem einfachen Zollgebäude bekommen wir am 25. Mai den Ausreise-Stempel in den Pass gedrückt und nachdem der Zöllner eine Proberunde auf Julias Rad gefahren ist, machen wir uns auf in die 20 km “No-mans-land” zwischen den Grenzposten. Wie sich später herausstellt, ist dies der anstrengendste Abschnitt des ganzen Pamirs, als wir uns auf schlechter Strasse langsam auf die erste Passhöhe auf 4266 m.ü.M kämpfen. Die Angewöhnung an die Höhenluft und der schottrige Untergrund lässt uns nur langsam vorankommen - was uns dafür in den vielen kleinen Pausen aber auch immer wieder Zeit gibt, das eindrückliche Panorama aufzusaugen.

Wenige Kilometer nach dem Pass finden wir dann das tadschikische Grenzhäuschen, wo man uns freundlich empfängt. Sogar ein heisser Tee wird uns gereicht, welchen wir bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt gerne entgegennehmen.

Einmal auf dem Hochplateau angekommen, finden wir uns in einer menschenleeren Ebene. Dieser Abschnitt gehört zu den verlassensten unserer Reise, sehen wir in den ersten Tagen keine Häuser und nur eine handvoll Autos. Gesellschaft leisten uns lediglich die vorwitzigen Murmeltiere, welche bei unserem Auftauchen trotz ihrer stattlichen Körperfigur meist blitzschnell in ein Schlupfloch sprinten. Unter die 6 Pässe über 4000 Metern mischt sich der Aik Batal Pass, mit 4655 m.ü.M. der zweithöchste Pass unserer bisherigen Reise. Wie üblich auf solchen Höhen, mischt auch der Wind mit... Während 6 Tagen sind wir täglich zwischen 5 – 7 Stunden auf dem Rad und schwanken zwischen Euphorie ob der Szenerie und Verzweiflung bei zermürbendem Gegenwind. Ein unerwartetes Highlight an einem dieser Tage bringt das Zusammentreffen mit zwei Zürchern. Die beiden sind vor 1 ½ Monaten in der Heimat gestartet und mit ihrem Geländewagen auf dem Weg nach China. Wir freuen uns, wieder einmal auf Schweizerdeutsch zu plaudern und die Tasse Kaffee mit aufgeschäumter Coop-Milch ein besonderer Genuss!

Khorog liegt dann nur noch auf 2200 m.ü.M und ist die Hauptstadt der autonomen Region Pamir. Ungewöhnlich für die Jahreszeit fällt während zwei Tagen Regen, was uns die eingelegten Ruhetage dafür umso entspannter angehen lässt.

Die weitere Etappe führt uns entlang des Panj, dem Grenzfluss zu Afghanistan. Im ersten Moment hinterlässt es ein komisches Gefühl sich in unmittelbarer Nähe zu einem mit vielen negativen Schlagzeilen behafteten Landes zu bewegen. Während wir oftmals nur einen Steinwurf entfernt von Afghanistan radeln, können wir einige Eindrücke der Lebensart auf der anderen Flussseite sammeln. Obwohl Tadschikistan zu den ärmsten Ländern Zentralasien zählt, ist die Lebensart in den abgeschiedenen Dörfern Afghanistan nochmals eine Stufe puristischer. Als Transportmittel sehen wir neben einigen wenigen Motorrädern, vor allem Esel, welche auf den abenteuerlichen Wegen zumindest die Güter der Afghanen tragen.

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Da wir nun immer mehr Dörfer passieren, kommen wir in den Genuss der unglaublichen tadschikischen Gastfreundschaft. Kinder begrüssen uns erfreut mit einem “Hello” und von den Erwachsenen werden wir mit einer Handbewegung zum “Chai” (Tee) gewunken. Erreichen wir abends ein Dorf, dauert es nicht lange bis wir in der Stube einer einheimischen Familie sitzen. Innert Minuten wird auf dem Boden das Tischtuch ausgebreitet und es werden uns Speisen aufgetischt, als seien wir lange erwartete Gäste. Wir geniessen diesen Einblick in die Lebensart dieser Familien. Oftmals tauchen nach unserem Eintreffen plötzlich auch noch Verwandte oder andere Dorfbewohner auf. Ein Besuch von Ausländern ist hier wohl interessanter als das TV-Programm...

Wie selbstverständlich, richten unsere Gastgeber jeweils ein Bett für uns her. Wir stellen erfreut fest, dass es sich auf den dünnen Matratzen, welche auf dem Boden ausgerollt werden, wirklich gut schlafen lässt. Sobald die Sonne morgens um 5 Uhr aufgeht, sind die Einheimischn wieder auf den Beinen und warten bereits gespannt auf unser Erscheinen. Nach dem obligatorischen, ebenfalls offerierten Frühstück, bekommen wir nicht selten noch ein Präsent mit auf den Weg. Diese Umstände führen dazu, dass erstmals auf unserer Reise unsere Essenstasche anstelle leerer, immer voller wird!

Auch weiterhin ist die Landschaft einmalig schön – tiefe Schluchten, Berge und grüne Wiesen. Umso näher wir der Hauptstadt Tadschikistans kommen, desto heisser wird es. Bei weiterhin hügeligem Gelände nutzen wir gerne jede mögliche Wasserquelle um uns etwas zu erfrischen.

Nach 19 Tagen in diesem eindrücklichen Land erreichen wir Dushanbe. Hier dürfen wir bei unserer Warmshowers-Gastgeberin Veronique unser Zelt aufstellen. In ihrem schönen Haus mit paradiesischem Garten erholen wir uns (gemeinsam mit bis zu 6 anderen Reiseradlern), während wir auf die nötigen Visas für die Weiterreise warten.