Donnerstag, 25. September 2014

Islamische Republik Iran

Unsere Einreise in die Islamische Repulik Iran war mit gemischten Gefühlen verbunden. Die durchwegs positiven Rückmeldungen angetroffener Iran-Reisender stehen im Kontrast zu der überwiegend negativen Berichtserstattung der Medien. Etwas nervös kleidete sich Julia noch am Zoll Turkmenistans in ihr neues Outfit. Im Iran ist es für Frauen (ab 9 Jahren) Pflicht sich zu verhüllen. Das heisst knielanges Oberteil, lange Hose und Kopftuch – auch bei 40 °C im Schatten und für fahrradfahrende Touristinnen...

Der Grenzübergang verlief unerwartet unproblematisch, Julias Outfit hat den Test bestanden – während Roger weiterhin im Kurzarmoutfit radeln darf.

Als Erstes steuern wir Mashhad an, das religiöse Zentrum des Irans. Über die Warmshowers Vereinigung, finden wir eine Bleibe bei einer streng gläubigen Familie. Die Söhne sprachen sehr gutes Englisch und so konnten wir in vielen interessanten Gesprächen einiges über den Islam und die iranische Politik erfahren. Während wir auf unserer bisherigen Reise die Themen „Religion und Politik“ mit Einheimischen eher zu meiden versuchten, drehte sich hier alles um diese Thematik.

Während die Familie aufgrund des Fastenmonats Ramadan nur von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang essen durfte, wurden wir ganztags mit Essen überhäuft. Trotz der unglaublichen Gastfreundschaft war es für Julia nicht immer einfach. Der Islam untersagt Freundschaften zwischen Mann und Frau. So finden die Unternehmungen meist geschlechtergetrennt statt und Julia wurde z. B. in die Gespräche unter den englisch sprechenden Männer nicht miteinbezogen.

Nach einigen Tagen in Mashhad, schwangen wir uns wieder auf die Räder und fuhren Richtung Norden. An fast jeder Strassenecke wurde uns Tee angeboten. Hätten wir jede Einladung angenommen, würden wir uns wohl noch heute im Iran befinden.

In Bojnord, einer Kleinstadt im Nordosten des Landes wurden wir von einem sehr lieben Ehepaar eingeladen. Mister Azim und seine Frau Batool empfingen uns wie ihre eigenen Kinder und verwöhnten uns in jeglicher Hinsicht. Die beiden genossen es sehr, uns bei sich zu haben, sind doch ihre Kinder aufgrund des Studiums im ganzen Land verteilt. Während hier die Religion weniger im Vordergrund stand, konnte sich Julia zumindest in der Wohnung das Kopftuch ausziehen. Um die Privatsphäre zu wahren, sind meist alle Fenster der Wohnung mit dicken Vorhängen oder Läden verschlossen.

Von Batool und Azim lernten wir auch von der Lebensfreude dieses Volkes. Wir waren etwas überrascht, als es um 22 Uhr hiess, wir gingen picknicken. Die Iraner sind wahre Picknickmeister und so finden wir uns etwas später in einem schönen Park mit hunderten von Gleichgesinnten zum gemütlichen Beisammensein. Die Aussage, dass dies eine ihrer Freiheiten sei, lässt uns spüren, dass nicht alle Bewohner mit der Regierung gleich glücklich sind.

Immer wieder wurde uns die Küstenstrasse entlang des Kaspischen Meeres an Herz gelegt. Doch anstatt der erhoften landschaftlichen Schönheit, hatten wir tränende Augen vor Abgasen. Im Sekundentakt rauschen Autos und grosse Lastwagen an uns vorbei, was das Fahrradfahren, trotz exzellenter Strassen, nicht angenehm macht. In diesen Momenten treibt uns einzig die ungebrochene Gastfreundschaft der Iraner an. Das Interesse der Einheimischen ist stets ungebrochen. Neben täglichen Fotoshootings mit euphorischen Familien, bekommen wir unglaublich viel geschenkt. So wurden wir einmal von einer Familie angehalten, welche uns neben kaltem Wasser und Melone, ein Kopftuch, eine Haarspange, eine CD, einen Teebecher und einen Koran in Taschenformat schenkte. Setzten wir uns für eine Pause in den Schatten eines Shops, war es gang und gäbe, dass uns ein Unbekannter mit einer Glace oder kaltem Getränk überraschte. Sogar aus dem fahrenden Auto wurden uns Geschenke überreicht... Unglaublich was wir alles an Lebensmittel bekommen haben. Manchmal hatte wir Mühe alles frischgerecht zu verzehren und das soll schon was heissen bei unserem Appetit!

Am Kaspischen Meer treffen wir zwei Franzosen, mit welchen wir einen Nachtbus nach Tabriz nehmen. Wir geniessen es nach genau einem Jahr wieder einmal zu Viert unterwegs zu sein. Die Landschaft im Nordwesten ist für uns wieder interessanter und so fahren wir auf hügligem Terrain mit Timothée und Victor der türkischen Grenzen entgegen.

Wieder einmal wurde uns klar, dass man Regierung und Bevölkerung nicht in den gleichen Topf werfen darf. Der Iran hat uns mit seiner Gastfreundschaft überwältigt. Noch nie auf unserer Reise sind wir so oft eingeladen und beschenkt worden. Wir spürten jedoch auch, dass dieses Land zweigeteilt ist. Auf der einen Seite die streng Gläubigen, welche sich voll und ganz mit der Islamischen Führung identifizieren und auf der anderen Seite die Leute, welche sich die Zeit vor der Revolution zurückwünschen. Wir hoffen, dass es für dieses Land eine friedliche Zukunft gibt, die Bewohner hätten es verdient!

Samstag, 6. September 2014

Wettlauf gegen die Zeit

Turkmenistan – bestimmt kein typisches Reiseland. Wie für viele andere (Fahrrad-) Reisende drängt sich uns Turkmenistan jedoch als Verbindungsland auf, um auf dem Landweg den Iran zu erreichen. Liest man sich etwas ein, erfährt man unglaubliche Geschichten über einen grössenwahnsinnigen und narzistischen Diktator namens Saparmyrat Ataýewiç Nyýazow, der sich selbst Türkmenbaşy nannte, was soviel bedeutet wie “Führer der Turkmenen“. Inspiriert von einem anderen Führer, kreierte er seinen eigenen Slogan “Halk, Watan, Turkmenbaşy!” (Volk, Nation, Ich!). Sein Konterfei führte er auf allen Banknoten und als Senderlogo des Nationalfernsehens ein und ebenso stellte er goldene Statuen von sich und seinen Eltern in allen Landesteilen auf. Auch liess er alle Wochen- und Monatsnamen durch Namen seiner Familie sowie Nationalhelden ersetzen. Nebenbei schrieb er mehrere Bücher, die für die Turkmenen Pflichtlektüre sind, allen voran sein Buch Ruhnama. Nach seinem plötzlichen Tod im Jahre 2006 durch einen Herzinfarkt wurden zum Glück einige seiner doch sehr eigenwilligen Änderungen wieder abgeschafft.

Nachfolgender Staatspräsident wurde Gurbanguly Berdimuhamedow, welcher bis heute im Amt ist. Erfreulicherweise ist der neue Präsident wesentlich unauffälliger als sein Vorgänger und betreibt bei weitem nicht dessen Personenkult, das Land bleibt jedoch weiterhin sehr abgeschottet. So bekommt man als Individualreisender für saftige 55 Dollar gerade mal ein 5 Tages-Transit-Visa ausgestellt. Als Fahrradreisender eine Herausforderung, sind immerhin 500 km zurückzulegen und dies im Juli bei brütender Hitze.

Um keine Zeit zu verlieren, sind wir am Tag der Einreise die ersten, welche um 7:00 Uhr das Grenzgebäude betreten. Die Formalitäten benötigen dann jedoch seine Zeit. Nachdem man unsere Daten in mehrere grosse Bücher handschriftlich übertragen hat und wir nochmals eine “Registrations-Gebühr” bezahlt sowie den Krankenschwestern im Nebenzimmern einen Besuch abgestattet haben, wird der Einreise-Stempel in unseren Pass gedrückt. Nun folgt jedoch die Gepäckinspektion – dafür brauchen wir nochmals besonders Geduld, werden wir nämlich aufgefordert sämtliche Packtaschen (10 an der Zahl) gänzlich auszuräumen. Drei neugierige Angestellte wühlen mit Freude in unseren Habseligkeiten. Ein strukturiertes Vorgehen lässt sich dabei nicht erkennen, z. B. wird der Medikamenten-Apotheke kein Blick gewürdigt, doch das Würfelspiel genaustens inspiziert. Als wir schon vermuten, als Nächstes die Spielregeln erklären zu müssen, werden wir dann doch noch mit einer mürrischen Handbewegung “entlassen”. Um 10:30 Uhr rollen unsere Räder die ersten Meter im neuen Land, der Thermometer zeigt bereits 43 °C...

Die nächsten Tag sind schnell erzählt: Wir stehen früh auf, um der Hitze wenigstens für eine Weile zu entkommen, dann heisst es Radeln, Radeln, Radeln! Wir finden kaum schattige Plätzchen um zumindest bei den kurzen Trinkpausen nicht der Sonne ausgesetzt zu sein. Das am Rad mitgeführte Wasser hilft aber nicht abzukühlen, es beträgt bestimmt auch um die 40 °C!

Um die Mittagszeit gibt es immer eine lange Pause, ein Nickerchen im Schatten oder einem klimatisierten Raum sowie als grösster Luxus ein eiskaltes Getränk. Mittlerweile haben wir uns so an die Hitze gewöhnt, dass wir bei 36 °C bereits von “angenehm frisch” sprechen. Bei diesen Temperaturen, kurz vor Sonnenuntergang, mobilisieren wir nochmals unsere Kräfte und fahren so weit wie möglich bzw. bis sich ein Plätzchen für die Nacht anbietet. Um den grossen Salzverlust auszugleichen, haben wir in Usbekistan extra noch einen “Regenerations-Drink” erstanden. Das Elektrolyt-Pulver schmeckt grässlich, doch scheint zu wirken – keine Krämpfe, kaum Schwindel.

Leider ist die Zeit zu kurz um uns einen tieferen Eindruck ins Land zu gewähren. Meist radeln wir durch unbesiedelte Wüste, die Begegnungen mit Einheimischen sind jedoch stets angenehm und wiederspiegeln nicht die absurden Geschichten. Auf Nachfrage bekommen wir bei Einheimischen Zelterlaubnis und dann sogar ein Bett präpariert. Die Menschen scheinen uns etwas zurückhaltender, erinnern uns auf eine schöne Weise irgendwie an die Südamerikaner.

Die Abgeschiedenheit ermöglicht wieder vermehrt Tiersichtungen: Dromedare posieren stolz in den Sanddünen, Eidechsen flitzen blitzschnell davon und die Schakale heulen uns in den Schlaf.

Nach vier Tagen erreichen wir erschöpft die nächste Grenze. Wir sind stolz die Herausforderung gemeistert zu haben, sicherlich auch dank des uns positiv gesinnten Windes. Am Zoll heisst es nun für Julia Kopftuch montieren, und wir sind bereits gespannt auf unsere Zeit in der Islamischen Republik Iran.